Mittwoch, 25. August 2010

Wie Kundenbefragungen Lernen und Verbesserung verhindern: Neulich im Autohaus

Letzte Woche erlebte ich im Autohaus ein eindrückliches Beispiel für den Spruch aus der Berater, Trainer- und Managerwelt: „Das Gegenteil von Gut gemacht ist gut gemeint“.

Mittlerweile führen die meisten Automarken nach jedem Servicebesuch eine routinemäßige Kundenbefragung durch. Eine freundliche Call Center Agentin nervt die vielbeschäftige Autofahrerin und stellt viele Fragen, damit der Autohändler sich in der Qualität verbessert. Da würde frau doch sehr gerne helfen und dem Händler beibringen, wie er seinen mittelmäßigen Service verbessern und dem Kunden ein wirklich gutes Service-Erlebnis bescheren könnte. Vor allem da der Kunde in meinem Fall selbst mal Coach für Qualität im Autohaus war und als EFQM Auditor intensiv auf Verhalten und Kultur einer Premium Marke achtet.

Die natürliche Quelle aller Verbesserungen ist der Kunde vor Ort. Allerdings war der Serviceberater an unserem Serviceerlebnis nicht im geringsten interessiert. Denn sein Hauptinteresse war darauf gerichtet, mich als Lieferanten für „hervorragend“–Noten beim Anruf der netten Call Center Lady bei der nächsten Kundenbefragung zu gewinnen. Er erklärte uns auch, dass mittlerweile eine „Gut“-Note nur noch 100% bringen würde, ein „mittelmäßig“ aber schon mit 30% ins Gewicht fallen würde. „Hervorragend“ bringt allerdings 110% und ist damit sehr erwünscht! Und da alle Autohäuser ihre Kunden auf „hervorragend“ trimmen, würde er im Vergleich zurückfallen und dies leider an seinem Bonus merken. Das könnten wir doch sicher nachvollziehen und würden uns hoffentlich entsprechend äußern.

Kein Interesse daran zu erfahren, dass er den zugesagten Rückruf, wann wir das Auto holen können, nicht getätigt hat. Kein Interesse daran zu hören, dass wir nicht amüsiert darüber waren, dass das Auto immer noch nicht fertig war, als wir dann zum zugesagten Termin einliefen. Da wir gerade Urlaub hatten und diesen gerne im Autohaus verbringen, machte das ja auch nichts.
Kein Interesse des herbeigerufenen Verkäufers, warum wir uns denn für den nachgefragten Modelltyp interessieren und wie unsere Bedürfnisse für den geplanten Neuwagenkauf aussehen.

Die Mitarbeiter des Autohauses hätten so viele gute Verbesserungsanregungen von uns erhalten können, aber das fordert die AG der Premium Marke ja nicht. Hauptsache in der Statistik steht hervorragend – und als Kunde denken wir uns unseren Teil und werden das in der nächsten Kaufentscheidung entsprechend würdigen. „Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint“ – manchmal verhindern Maßnahmen zur Verbesserung eben genau das, was sie eigentlich fördern wollen. Meine Lernerkenntnis: Nachhaltiges Lernen und Verbesserungen bleiben auf der Strecke, wenn man Servicekultur allzu technisch und mit dem Blick auf „Quick Wins“ angeht und langfristige, nachhaltige Kulturentwicklung einer Premium Marke allzu sehr aus dem Blick verliert.

Liebe Grüße
Eva

2 Kommentare:

  1. Also ich würde das so interpretieren: Nachdem das System der Kundenbefragung eingeführt wurde und über einen längeren Zeitraum gelaufen ist, wurde es bei den Mitarbeitern so "normal", dass sie denken, sie könnten das System überlisten bzw. manipulieren.

    Darum ist nach einer gewissen Zeit - auch bei der Art und Weise, wie man Serviceverbesserungen ausfindig macht - ein Change wichtig! :)

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  2. Wenn ein solches System "überlistet" werden kann, hat es schon verloren. Und jedes System kann umgangen werden und hat Hintertürchen. Umso mehr kommt es auf das Commitment der Teilnehmer an. Sobald sich Systemteilnehmer nicht mehr an die Regeln halten und den eigentlichen Nutzen aus den Augen verlieren, kann man genauso gut den Bonus per Zufallsprinzip verteilen. Konsequente Serviceorientierung sieht anders aus!

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