Mittwoch, 25. Mai 2011

Menschen haben Gefühle! – Warum der Homo Oeconomicus ausgedient hat

Zahlen, Fakten, Nutzenmaximierung! Das Konzept des Homo Oeconomicus stellt eine wichtige Grundannahme für eine Vielzahl ökonomischer Theorien dar. Doch ist dieses Modell wirklich tragbar und welche Auswirkungen hat es auf das Change Management?

Der Homo Oeconomicus
Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich hierbei um einen rational denkenden Menschen. Ein Wesen, das über alle relevante Informationen verfügt und somit stets die beste Alternative kennt. Er besitzt eine Prioritätenliste, die er von oben nach unten abarbeitet und bei der er beispielsweise keinerlei spontane Impulskäufe zulässt. Soll heißen, wenn ein Fernseher oberste Priorität hat, würde er, auch im Falle eines sehr leckeren und günstigen Schokoriegels, diesen nicht kaufen, auch wenn er Lust darauf verspürt. Ein völlig rational denkender Mensch, der es zum obersten Ziel hat, seinen Nutzen zu maximieren. Er handelt stets im eigenen Interesse und ist auch bereit, Verluste anderer in Kauf zu nehmen.  

Die Kritik:
Ein Mensch, der alle Informationen kennt und stets rational handelt? Sowas kann keine korrekte Abbildung der Realität sein. Jeder Mensch hat eine Vorstellung von Beziehung, Gerechtigkeit, Vertrauen etc., was oftmals eine Entscheidung jenseits der reinen Rationalität zur Folge hat. Viele Menschen kaufen beispielsweise Lebensmittel bei dem Händler ihres Vertrauens, anstatt stets nach dem Billigsten zu suchen. Außerdem sind oftmals Menschen gerne dazu bereit, für ein Fairtrade-Produkt oder ein Bio-Produkt mehr auszugeben, als für ein vergleichbares Produkt, das den gleichen Nutzen liefert, jedoch nicht einen entsprechenden Hintergrund hat. Auch Aspekte wie Vertrauen oder der Gerechtigkeitssinn beeinflussen das Verhalten intensiver als vermutet.
Die zunehmend populär werdende experimentelle Ökonomik zeigt, dass die Annahmen des Homo Oeconomicus so nicht tragbar sind. Es wurden bereits in verschiedenen Experimenten Aspekte, wie beispielsweise die Fairness, die Reziprozität („Wie du mir, so ich dir.“) oder das Vertrauen, als relevante Faktoren im Rahmen des Entscheidungsfindungsprozesses bestätigt.

Der Homo Oeconomicus im Change Management
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch in Unternehmen und dem Change Management verzeichnen. Früher galten Modelle, wie beispielsweise Werner Kirschs Strategie des Bombenwurfs, als optimale Lösung, um eine Veränderung umzusetzen. Die Mitarbeiter werden vor vollendete Tatsachen gestellt, alle relevanten Entscheidungen wurden bereits getroffen und die Maßnahmen, entsprechend einer Bombe, schlagartig umgesetzt. Was für die Beteiligten bleibt, ist die Ausführung. Meckern und Unzufriedenheit sind hierbei nicht vorgesehen.
Wie man allerdings mittlerweile weiß, ist ein derartiges Vorgehen bei Weitem nicht das Optimale. Es gilt, die Mitarbeiter von Anfang an mit einzubeziehen, sie fair zu behandeln und ihnen Vertrauen zu schenken. Mit einem Blick auf die 8 Hebel der Veränderung® (beispielsweise die Hebel Partizipation oder Belohnung von Erfolgen) zeigt sich ebenfalls, wie wichtig es ist, den Faktor Mensch sowie dessen Gefühle und Emotionen zu berücksichtigen. Allgemein gesprochen: Man muss ihre nicht-rationalen Vorgehens- und Denkweisen akzeptieren und als einen entscheidenden Erfolgsfaktor sehen. Von einem Homo Oeconomicus auszugehen wäre fatal.

Zusammengefasst wird es also, auch heute noch, immer wichtiger, den Menschen und vor allem auch dessen Irrationalität zu berücksichtigen und als wesentlichen Einflussfaktor zu definieren. Die Finanzkrise zeigte uns, wie anfällig ein System ist und welch umfassenden Konsequenzen entstehen können, wenn man sich zu sehr auf einen rationalen, nutzenmaximierenden Menschen verlässt.

Pirmin Spiegelhalder

Dienstag, 17. Mai 2011

„Das ist nicht fair, mir reicht‘s!“ – Die Bedeutung der Fairness


„Schiri! Das war nicht fair! Gib ihm die gelbe Karte!“
Der Begriff der Fairness stellt im Sport einen sehr wichtigen Grundwert aller Beteiligten dar und kann als ein impliziter Vertrag verstanden werden. Ein faires Spiel gilt als Selbstverständlichkeit.
Nicht nur im Sport, sondern auch im alltäglichen Leben – so auch in der Gesellschaft, beim Individuum und in Unternehmen – wird Fairness als einer der wichtigsten Grundpfeiler des Beisammenseins verstanden.

Doch was bedeutet eigentlich Fairness?
Dieter Frey unterscheidet in seinem Buch „Wirtschaftspsychologie“ zwischen vier Arten der Fairness: Die Ergebnisfairness, die prozedurale Fairness, die informationale, sowie die interaktionale Fairness. Während bei der Ergebnisfairness das Resultat als fair empfunden wird so, ist es bei der prozeduralen Fairness der Prozess, der zu einem fairen Ergebnis führt. In einem Change Management Prozess zeigt sich Ergebnisfairness zum Beispiel darin, dass die Neuverteilung der Aufgaben und Gehälter nach einer Umstrukturierung als fair empfunden wird; unter der prozeduralen Fairness versteht man, dass der Veränderungsprozess an sich von allen Beteiligten als fair betrachtet wird (Konsistenz, Akkuratheit, Voice etc.).
Die dritte Art der Fairness, die sogenannte informationale Fairness, kann durch eine ehrliche und offene Formulierung und Kommunikation aller relevanten Informationen erreicht werden. Die Mitarbeiter werden während dem Veränderungsprozess mit allen für sie notwendigen Informationen ausreichend versorgt. So erfahren sie zum Beispiel, worin ihre neue Aufgabe besteht und wie der Veränderungsprozess im Detail ablaufen wird.
Abgerundet wird dies durch die interaktionale Fairness, die durch eine gegenseitige Wertschätzung und Respekt vermittelt wird. Die Mitarbeiter müssen sich also während eines Change Prozesses von ihren Vorgesetzten und Kollegen als respektiert und ernst genommen fühlen.

Und warum ist Fairness so wichtig?
Nach dem relationalen Modell ist der Mensch stets bemüht, seinen Platz in der Gesellschaft und seine Identität zu finden. „Werde ich fair behandelt, gehöre ich zur Gruppe. Außerdem stellt Fairness eine sehr wichtige Vertrauensbasis dar. Wird ein Veränderungsprozess von einem Mitarbeiter als fair empfunden, liefert dies eine sehr gute Grundlage dafür, dass der Mitarbeiter auch über den Prozess hinaus seiner Führung Vertrauen entgegen bringt. Somit wird klar: Wer fair behandelt wird, fühlt sich wohl, ist motiviert und entsprechend offener für Veränderungen.

Zusammenfassend zeigt sich also, wie wichtig wahrgenommene Fairness für den Erfolg des Veränderungs-Projektes ist. Fühlen sich Mitarbeiter fair behandelt und somit von allen akzeptiert, schafft dies Akzeptanz und Offenheit gegenüber dem Veränderungsprojekt. Gelingt es also, die oben genannten Fairness-Modelle erfolgreich zu berücksichtigen, profitieren alle Beteiligten davon.
Und vielleicht nimmt sich auch die Politik langfristig zum Ziel, eine Veränderung, wie beispielsweise die Einführung einer Steuer, fair zu gestalten und „fair“, sprich logisch und wertschätzend, zu kommunizieren. So hätte eine gut aufbereitete und umfassende Informationsphase wesentlich mehr wahrgenommene Fairness und somit Akzeptanz gegenüber der E10-Steuer geschaffen.

Pirmin Spiegelhalder

Dienstag, 10. Mai 2011

Was machen wir denn da? – Wie man mit Unsicherheiten am Besten umgeht


Die Zukunft und die damit verbundenen Unsicherheiten stellen für jedes Individuum, aber auch für zahlreiche Unternehmen, ein alltägliches Problem dar.
-                      -  Worin sollen wir investieren?
-                      -  Was passiert wenn …?
-                      -  Wie entwickelt sich die Nachfrage?
Dies sind nur einige Fragen mit denen sich viele Organisationen täglich konfrontiert sehen. Doch wie soll man derartige Unsicherheiten am Besten handhaben?

Ganz klassische, rationale Modelle versuchen, derartige Probleme durch die Mathematik und Kombinatorik zu lösen. Wie wahrscheinlich ist welcher Umweltzustand und wie wahrscheinlich ist somit welcher Output? Mittels komplexer Rechnungen werden diese Wahrscheinlichkeiten berechnet und daraufhin eine Entscheidung getroffen.
Ein weitere Möglichkeit, die sich ebenfalls sehr stark an Zahlen orientiert, ist eine sogenannte Extrapolation der Vergangenheit. Hierbei werden bestehende Erfahrungswerte und –zahlen genutzt, um Prognosen für die Zukunft zu berechnen und auf dieser Basis zu entscheiden. Beispielsweise wird bei einem kontinuierlichen Umsatzwachstum von zwei Prozent pro Jahr in den letzen vier Jahren mit einem ähnlichen Wert für das Folgejahr gerechnet.
Doch was tun, wenn die Mathematik und die Zahlen nicht ausreichen oder Menschen sich nicht auf Zahlen verlassen möchten, weil ihr Bauchgefühl etwas anderes sagt? Was machen, wenn nicht der prognostizierte Zustand eintritt?

Eine seit den 70ern immer stärker praktizierte Methode ist die Szenario-Analyse. Ursprünglich in der amerikanischen Militärschule gelehrt, um die Soldaten im Bereich der Kriegsplanung optimal auszubilden, begann Shell, diese Methode in die langfristige Unternehmensplanung zu integrieren. Sinn und Zweck dieser Methodik besteht in dem Bilden von möglichen Zukunftsszenarien für einen entsprechenden Untersuchungsgegenstand. Im einem ersten Schritt wird hierbei also der Untersuchungsgegenstand, beispielsweise die für den nordamerikansichen Markt zuständige Business Unit, sowie die bedeutendsten Einflussfaktoren (Klima, Infrastruktur, Kunden etc.) definiert. Nun gilt es, Annahmen über mögliche zukünftige Entwicklungszustände sowie Interaktionen unter den Beeinflussungsfaktoren zu treffen. Ist dies geschehen, können in einem nächsten Schritt einzelne Szenarien entworfen werden, bevor abschließend für die jeweiligen Szenarien eine optimale Strategie entwickelt wird. Was macht die Business Unit beispielsweise, wenn das Klima sich positiv entwickelt, die Konjunktur jedoch negativ? Wie reagiert man auf den eventuellen Rückgang junger Arbeitskräfte? Meistens handelt es sich hierbei nicht nur um ein Ereignis pro Szenario -  über dieses Ereignis können wiederum verschiedene Ereignis folgen, die ebenfalls abgebildet werden. 
Durch das Erstellen derartiger Szenarien bleibt das Unternehmen flexibel und kann entsprechend erfolgreich auf das tatsächlich eintretende Szenario reagieren. Ebenso kann hier ein mögliches „menschliches“ Verhalten berücksichtigt werden, das fernab von jeglicher Mathematik, aufgrund anderer Motive handelt und entscheidet.

Abgesehen von der Tatsache, dass die Entwicklung solcher Szenarien sehr kostspielig ist, wurde mit diesem Modell ein Werkzeug entwickelt, das vielen Unternehmen helfen sollte, die steigende Komplexität und Unsicherheit der Zukunft zu meistern, um auch langfristig existieren zu können. Und wie bereits durch die Kontrolltheorie bekannt ist, finden sich Menschen besser mit Ereignissen ab und können mit diesen umgehen, wenn sie erklärbar, vorhersehbar und beeinflussbar sind.

Pirmin Spiegelhalder

Montag, 2. Mai 2011

Warum gibt es eigentlich Wandel?

Da der Wandel die einzige Konstante im privaten, als auch im Unternehmensalltag ist, stellt ein professionelles Change Management für viele Unternehmen eine echte Notwendigkeit dar. Doch warum verändern sich Unternehmen eigentlich ständig und warum gibt es so häufig Wandel?
Neben Triebkräften wie der Globalisierung, Öffnung der Märkte, geringeren Transaktionskosten oder verbesserten Informations- und Kommunikationstechnologien haben Andrew H. van de Ven und Marshall Scott Poole vier allgemeine idealtypische Entwicklungstheorien herausgearbeitet. Hierzu gehören die Lebenszyklus-Theorie, die evolutionäre Prozesstheorie, sowie die dialektische und die teleologische Prozesstheorie. Exemplarisch möchte ich im Folgenden die zwei letzteren vorstellen.

Die Teleologische Prozesstheorie
Abgeleitet vom Altgriechischen Telos, was so viel bedeutet wie Zweck, Ende oder Ziel, beschäftigt sich diese Theorie mit der Annahme, dass Ziele und der Wunsch nach deren Erfüllung für Veränderungen verantwortlich sind. Wie wir bereits in dem Blogeintrag vom 18. April beschrieben hatten, sind Ziele und die Zielerreichung von großer Bedeutung, um motiviert und orientiert handeln zu können. Da sich auch ein Unternehmen bzw. dessen Entscheider Ziele setzen und anschließend versuchen diese zu erreichen, werden in  einer wiederholten Sequenz von Zielformulierung, -implementierung, -bewertung, und -modifizierung diverse Veränderungsmaßnahmen umgesetzt.
So setzte sich beispielsweise Apple zu Beginn des Jahrtausends das Ziel, auf den Markt für Handy-Anbieter zu gelangen und begann mit der Entwicklung des iPhones. Eine derartige Produktgenerierung bringt eine Reihe großer Veränderungen mit sich, wie beispielsweise eine Umstrukturierung der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, eine Änderung der Marketingstrategie oder eine Schaffung neuer Ressorts. So meldete Apple bereits zu Beginn der Entwicklung mehr als 200 Patente an und benötigte hierfür entsprechend neue Kapazitäten.
 
Die evolutionäre Prozesstheorie
Da die Ressourcen meist sehr begrenzt sind und folglich ein Wettbewerb um diese entsteht, verändern sich zahlreiche Unternehmen in einem ständigen Prozess von Variation, Selektion und Retention. Langfristig werden also diejenigen Unternehmen überleben, die sich optimal an die Umweltbedingungen anpassen können, sprich geeignete Veränderungsmaßnahmen initiieren und implementieren.
Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die gesamte IT-Branche und hier insbesondere die Dotcom-Blase: Im Laufe der 90er-Jahre entstanden täglich neue, vielsprechende Technologieunternehmen, für die zahlreiche Anleger hohe Gewinnerwartungen hatten (Variation).
Aufgrund der Überkapazität an IT-Unternehmen zu Beginn des 21. Jahrhundert war schnell klar, dass sowohl die Nachfrage als auch die Investitionsgelder nicht ausreichen werden, alle entstandenen Start-Ups am Markt zu halten. Viele Unternehmen mussten folglich Konkurs anmelden. Überlebt haben diejenigen, die sich den Bedingungen am Besten anpassen konnten und eine entsprechende Glaubwürdigkeit auf dem Aktienmarkt ausgestrahlt haben (Selektion).
Die Unternehmen, die sich entsprechend verändert und somit überlebt haben, versuchten daraufhin, sich zu stabilisieren und das Veränderte zu fixieren (Retention).

Diese zwei Theorien sollen exemplarisch zeigen, warum es überhaupt zu einem Wandel kommt. Vielleicht gelingt es dem ein oder anderen Unternehmen mit dem Bewusstsein derartiger Theorien, zukünftige Veränderungen rechtzeitig erkennen zu können und angemessen darauf zu reagieren.

Pirmin Spiegelhalder