Montag, 15. November 2010

Managementdiagnostisches Kurzgutachten zu Wolfgang Schäuble

vom 4.11.2010.
Herr S. ist Bundesfinanzminister, 68 Jahre alt, wohnhaft in Gengenbach im Schwarzwald.

Zu begutachtende Dimensionen:
• Auftreten und Kommunikation
• Führungsverhalten
• Selbststeuerung

Eignungsdiagnostisches Instrument:
Pressekonferenz des Bundesfinanzministeriums.
Der Kandidat führt in der Rolle des Bundesfinanzministers zusammen mit seinem 51jährigen Pressesprecher eine Pressekonferenz durch, um die anwesenden Fachjournalisten der Berliner Presse über die aktuellen Zahlen zu den steigenden Steuereinnahmen zu informieren. Kurz vor der Pressekonferenz hat der Kandidat in einer Besprechung noch Änderungen an den Unterlagen eingefordert. In der nun beginnenden Pressekonferenz ist der Pressesprecher der Meinung, die Unterlagen inklusive der neuen Details seien bereits an die Journalisten verteilt worden. Die Übung beginnt mit der Begrüßung durch den Pressesprecher.


Video-Mitschnitt der eignungsdiagnostischen Übung:
"Reden Sie nicht, Herr Offer!"


Berufsbezogenes Persönlichkeitsbild aufgrund der Beobachtungen
Auftreten und Kommunikation
  • Herr S. ist bekannt dafür, dass Gespräche mit ihm, „die Strenge eines Staatsexamen besitzen“ (der Spiegel 21/2010), er fordert seine Gesprächspartner heraus.
  • Sein Auftritt: Herr S. rollt selbstbewusst und mit lächelndem Gesicht mit dem Rollstuhl in den Sitzungssaal, er verfügt dabei über eine dynamische Ausstrahlung, wendet sich körperlich dem anwesenden Auditorium, später dem Pressesprecher zu.
  • Herr S. sitzt unruhig und bewegt sich oft auf dem Stuhl als finde er keine angenehme Sitzhaltung.
  • Herr S. spricht verhältnismäßig schnell und verwendet eine vom Dialekt eingefärbte Sprache: Er benutzt Formulierungen, die wenig Respekt sowohl für die Anwesenden als auch den Mitarbeiter zum Ausdruck bringen (ironisch zu den Journalisten): „Im Gegensatz zu Ihnen hab ich ja Zeit!“ (Zitat)
  • Spricht mit sarkastischem Unterton und maliziösem Grinsen
  • Ist in der Formulierung seiner Forderungen sehr klar und eindeutig und unterbricht seine Kommunikationspartner unwirsch: „Reden Sie nicht, Herr Offer, sorgen Sie dafür …“ (Zitat).
  • Scheut sich nicht davor, andere coram publico bloß zu stellen/ zu düpieren.
  • Badet sich in seiner Überlegenheit: „Ich hatte Ihnen vor einer halben Stunde die Wette angeboten, Sie werden es nicht verteilt haben!“ (Zitat).
  • Spricht von Nicht-Anwesenden mit wenig Respekt jedoch mit Schadenfreude: „Kann mir mal einer den Offer herholen, der soll den Scherbenhaufen schon selbst genießen“ (Zitat).
  • Zeigt sich hartnäckig darin, wiederholt öffentlich zum Ausdruck zu bringen, dass sein Mitarbeiter einen Fehler gemacht hat und hat sichtlich Freude am Schaden des anderen.
  • Erweckt den Eindruck, wenig Hürden überwinden zu müssen, um Emotionen ungefiltert zum Ausdruck zu bringen: unterbricht und verlässt deutlich ungehalten und verärgert die Versammlung, da nicht alle Rahmenbedingungen seinen Vorstellungen entsprechen; lässt andere dadurch warten, drückt damit seine gefühlte Erhabenheit aus.
  • Lässt nach deutlicher Kritik auch im zweiten Teil der Konferenz nicht ab; nutzt jede Gelegenheit, demütigend auf das Malheur des Mitarbeiters zu verweisen.
Führungsverhalten
  • Gilt als harte und unnachgiebige Führungskraft, die autoritär führt und Gutsherren-artig agiert.
  • Ist bekannt für sein Misstrauen, teilt bspw. Informationen nur mit wenigen Mitarbeitern.
  • Stellt die eigenen hohen Ansprüche an sich selbst auch an seine Mitarbeiter; ist hier klar in seinen Erwartungen und macht deutlich, wenn diese nicht erfüllt wurden.
  • ‚Regiert‘ seine Behörde nach dem Motto „Wer Macht hat, kann machen was er will“; stellt dabei bei der Interaktion Hierarchie und Machtverhältnis in den Vordergrund.
  • Während es per Definition die Aufgabe des Pressesprechers ist, den Minister in der Öffentlichkeit in ein gutes Licht zu stellen, scheut sich Herr S. nicht davor seinen Mitarbeiter in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht zu stellen - das Verhältnis ist also nicht von Gegenseitigkeit geprägt.
  • Möglicherweise aufgrund seiner hohen Ansprüche, können die Mitarbeiter das Vertrauen von Herrn S. verlieren, dies bringt er deutlich zum Ausdruck, in dem er sein Misstrauen in ihre Leistungsfähigkeit formuliert („Ich hatte Ihnen die Wette angeboten, sie werden es nicht geschafft haben“ und „Zeigen Sie mal her, was Sie da verteilen, ich bin vorsichtig jetzt!“ Zitate).
  • Übt Kritik an unerwünschtem Verhalten seiner Mitarbeiter unmittelbar, allerdings beachtet er dabei nicht die Rahmenbedingungen und die Atmosphäre der Situation.
  • „Fehler der Mitarbeiter sind Fehler des Chefs- jedenfalls nach außen“ - dieser Leitsatz aus dem preisgekrönten Management-Standardwerk "Führen, leisten, leben" von Fredmund Malik ist Herrn S. scheinbar nicht bekannt.
  • Stärkt dem Mitarbeiter in der Öffentlichkeit nicht den Rücken sondern verhält sich illoyal; nutzt dabei aus, dass der Mitarbeiter in Abhängigkeit steht und sich nicht wehren kann
  • Wirft in seinem von außen beobachtbaren Verhalten die Frage auf, inwieweit er bei mehrmaliger Unzufriedenheit mit Mitarbeitern auch Konsequenzen zieht und das Arbeitsverhältnis auflöst, anstatt die konfliktäre Situation aufzulösen oder auf die Spitze zu treiben
Selbststeuerung
  • Gilt als sehr tüchtig.
  • Gibt sich authentisch und verstellt sich nicht.
  • Ist sehr selbstdiszipliniert und bekannt dafür, hart zu sich selbst zu sein und sich nie zu schonen.
  • Begegnet der hohen Belastung durch seine Erkrankung mit eisernem Willen, stellt sich den durch das Schicksal auferlegten Prüfungen.
  • Die ungehobelte Art lässt Frustration vermuten: steht unter hoher Anspannung; eventuell hat er gesundheitliche Probleme (Heilungsprozess der OP-Wunden), die er nicht preis geben möchte.
  • Ist dafür bekannt, sich oft intellektuell überlegen zu fühlen.
  • Hält sich selbst für unfehlbar, sonst würde er nicht mit Überheblichkeit die „Schuld“ seines Mitarbeiters in den Mittelpunkt stellen: „Der soll seinen Scherbenhaufen schon selbst genießen“ (Zitat).
  • Führungskräfte an der Spitze haben bei Fehlverhalten oft keine Konsequenzen zu befürchten, so geht es auch Herrn S.; Gehört zu den Führungskräften, die selten Kritik von anderen erhalten und daher offensichtlich im Lauf vieler Jahre ein getrübtes Selbstbild entwickeln, welches die Entwicklung der Persönlichkeit nicht positiv beeinflusst.
  • Ist nicht in der Lage, eine realistische Selbsteinschätzung vorzunehmen.
  • Hat sich selbst nicht steuernd im Griff, verliert die Beherrschung.
  • Viele Führungskräfte haben eine hohe Beeinflussungsmotivation. Diese muss aber nicht mit Selbstherrlichkeit einher gehen. Im Fall von Herrn S. wird jedoch in der Pressekonferenz gerade die Selbstherrlichkeit deutlich.
  • Zeigt ein eingeschränktes Verhaltensrepertoire und scheint wenig Verhaltensalternativen zum Umgang mit Ärger zur Verfügung zu haben. Es erweckt den Eindruck, dass Herr S. durch seine ausgeprägte Machtposition das Gespür für soziale Normen verloren gegangen ist; er ist nicht (mehr) in der Lage, seine Impulse zu unterdrücken, weil er gelernt hat, dass die Umwelt dies zulässt, auch wenn diese das nur aufgrund ihrer Abhängigkeit tut.
  • Zeigt sich immerhin selbstkritisch in seiner Stellungnahme („bei berechtigter Verärgerung vielleicht überreagiert“, Zitat)
Das empfehlen wir Herrn Wolfgang Schäuble:
  • In der Verärgerung seine Emotionen zu steuern: Dies würde bedeuten, die eigenen Emotionen zu analysieren, die Sach- von der Beziehungsebene zu trennen und sich für die Bewertung der Situation etwas Zeit zu nehmen (bspw. die berühmte "Nacht drüber zu schlafen").
  • In der Kommunikation allgemein auf respektvolle, wertschätzende Formulierungen achten.
  • Andere, auch unterstellte Mitarbeiter, nicht zu unterbrechen.
  • Mit Mitarbeitern ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, Misstrauen führt zu Demotivation und Schlechtleistung.
  • Mitarbeitern wertschätzendes Feedback zu geben, also dem Mitarbeiter die inhaltlichen Fehler erläutern, Lösungsansätze zur Verhaltensänderung aufzeigen und die Verhaltensänderung einfordern; dabei unbedingt die Rahmenbedingungen beachten wie bspw. eine ungestörte Situation, die Möglichkeit zum Vier-Augen-Gespräch.
  • Außerhalb des eigenen Teams als eine geschlossene Mannschaft aufzutreten, den Schulterschluss zu demonstrieren; Mitarbeitern den Rücken zu stärken.
  • Sich der sozialen Normen wieder bewusst zu werden; zu hinterfragen, welche Situation und welcher Kommunikationsstil geeignet ist, einen Mitarbeiter zu kritisieren und persönlich in Frage zu stellen. Soziale Hürden wieder spüren zu lernen.
  • Unser Training für Führungskräfte Führen ist Kopfsache
gez.:
Diana Westerteicher

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